In den vergangenen Tagen haben wir uns als Kreisvorstand, auch im Rahmen eines Mitgliederforums, intensiv mit dem Koalitionsvertrag und der Frage der Koalitionsbildung mit der CDU auseinandergesetzt. Das Koalitionspapier hat zur Rubrik `Regenbogenhauptstadt ́ seine positiven Seiten, allerdings auch queerpolitische Schwachstellen und blinde Flecken.
- In der schwarzroten Koalition sollen Senatskanzlei sowie die Senatsverwaltungen für Finanzen und für Justiz der CDU zufallen, während die SPD eine ausgedünnte Senatsverwaltung für Inneres erhält – diese Verteilung der Ressorts finden wir sehr problematisch. Der Koalitionsvertrag verspricht viel und sieht zu hohe Ausgaben vor, sodass selbst die Aufnahme von Krediten im Gespräch ist. Die CDU stellt sich jedoch gern als solide Haushälterin dar und es ist klar, bei welchen Projekten die unionsgeführte Senatsverwaltung für Finanzen den Rotstift ansetzen wird.
- Im Koalitionsvertrag wird zwar darauf hingewiesen, dass sich die schwarzrote Koalition auf Bundesebene für das Selbstbestimmungsgesetz sowie die Aufhebung des Blutspendeverbots und sogar für die zustimmungspflichtige Ergänzung von Art 3 GG um die sexuelle Identität einsetzen wird – jedoch herrscht hinsichtlich der Verantwortungsgemeinschaft dröhnendes Schweigen. Die Verantwortungsgemeinschaft wurde maßgeblich von queeren Genoss:innen aus Pankow vorangetrieben und hat es von hier aus sogar in das Koalitionspapier der Ampel geschafft. Mit der CDU und ihrer konservativen Familienpolitik sehen wir dieses Projekt aber massiv in Gefahr.
- Dass diese Koalition auf Landesebene eine:n Queerbeauftragte:n für die Akzeptanz und sexuelle Vielfalt einführen will, gilt als Leuchtturmprojekt. Allerdings handelt es sich dabei um ein politisch wenig einflussreiches Amt.
- Laut Koalitionspapier wird zwar eine stärkere Projektvielfalt angestrebt, vor allem mit Blick auf die Außenbezirke. Allerdings sollen bestehende Förderinstrumente geprüft werden – und diese Prüfung unterliegt nicht zuletzt dem Finanzressort und demnach der CDU. Es ist nicht auszuschließen, dass die bestehenden Förderinstrumente als ausreichend bewertet werden. Da es während der rot-schwarzen Koalition 2011-16 queerpolitisch oft genau dann schwierig wurde, als es um die konkrete Umsetzung der vereinbarten Projekte ging, ist aus unserer Sicht hier ein weiterer Grund für große Bedenken.
- Im Sinn des Koalitionspapiers kann eine vielfältige Stadtgesellschaft nur durch ausreichende Sicherheit gewährleistet sein. Der Einsatz von Überwachungskameras im öffentlichen Raum ist aus sozialdemokratischer und vor allem queerpolitischer Sicht kritisch. Zudem möchte die Koalition verdachtsunabhängige Konrollen ermöglichen – diese Kontrollen ermöglichen nicht nur `Racial Profiling ́, sondern auch `Queer Profiling ́.
- Die berlinweite Einführung des Wahlpflichtfachs Religion konterkariert die queerpolitischen Ansätze der Rubrik `Regenbogenhauptstadt ́ und führt die vorher beschriebene offene, tolerante und „queerfreundliche“ Haltung geradezu ad adsurdum.
Das schwarzrote Koalitonspapier hat trotz allem einige Schwachstellen. Wir sind daher zu der Überzeugung gelangt, dass der Koalitionsvertrag nicht ausreicht, um eine Koalition mit der CDU anzustreben.
Am Donnerstag haben wir auf einer gut besuchten Veranstaltung gemeinsam mit Michael Biel (Landeskassierer der SPD und Staatssekretär für Wirtschaft) und Franziska Drohsel (ehemalige Bundesvorsitzenden der Jusos) über das vorliegende schwarzrote Koalitionspapier diskutiert.
Auf dieser Diskussionsrunde hat die SPD erneut unter Beweis gestellt, dass sie kontrovers, aber fundiert und zielführend argumentiert. Im Vorfeld haben Michael Biel und Franziska Biel jeweils die positiven und negativen Seiten dieser Koalition abgewogen, ehe die Besucher:innen ihre Kommentare und Fragen zum Koalitionspapier vortragen konnten. Die Redebeiträge haben eine große Vielfalt von Meinungen abgedeckt.
In einem Redebeitrag wurde auch das ausbaufähige Kapitel zur Regenbogenhauptstadt erwähnt, das wenigstens eine:n politisch wenig einflussreichen Queerbeauftragte:n für das Land Berlin und einen Standort für ein Regenbogenhaus vorsieht. Zwar hat sich die mögliche Koalition vorgenommen, die Sichtbarkeit von nicht-binären Personen zu erhöhen, scheitert jedoch schon dabei, den Koalitionsvertrag durchgehend zu gendern.
Am 3. April 2023 wird der schwarzrote Koalitionsvertrag vorgestellt. Dieses Papier birgt reichlich Gesprächsstoff.
Gemeinsam laden die Jusos Pankow, die AG Migration und Vielfalt in der SPD Pankow, die AsF Pankow sowie die SPDqueer Pankow zu einer Diskussionsveranstaltung zum schwarzroten Koalitionsvertrag.
Wann? Donnerstag, 6. April 2023, ab 19 Uhr
Wo? Brotfabrik, Cagliariplatz 1, 13086 Berlin
Als Gesprächspartner nehmen der Landesvorsitzende der SPD Berlin Raed Saleh sowie die ehemalige Bundesvorsitzende der Jusos Franziska Drohsel teil.
Menschen, die mit HIV leben erfahren weiterhin Stigmatisierung und Ausgrenzung - auch in Deutschland. Das darf nicht sein!
Die Medizin ist schon seit Jahren soweit - HIV-positiven Menschen dürfen sich dank medizinischer Behandlung auf ein langes Leben freuen, ohne Angst haben zu müssen, dass sie das Virus auf andere übertragen.
Der Fall eines Studenten an der Uni Marburg zeigt aber deutlich, dass HIV-Stigmatisierung in Deutschland noch bittere Realität ist. Bürokrat:innen und Richter:innen lehnen aufgrund ihrer Vorurteile - und, in diesem Fall, aus einer vermutlich disziplinarisch bestrafender Motivation heraus - lieber wissenschaftliche Erkenntnisse ab, als einen HIV-positiven Studenten weiter studieren zu lassen. Über den Fall berichtete die Hessenschau.
Wir finden: Hier braucht es nicht nur Aufklärung, so wichtig sie ist, sondern auch eine Selbstverpflichtung von Entscheidungsträger:innen, diese Diskriminierung zu bekämpfen. Zum heutigen WeltAIDSTag und jeden Tag.
Gestern fand bei herrlichem Wetter der CSD statt: Neben wichtigen politischen Botschaften gab es auch gute Musik und viel Spaß. Die Demonstration stand vor allem unter dem Zeichen der Solidarität für die Ukraine. Wir waren bis in die Abendstunden dabei.
Aber auch hier leider wieder Licht und Schatten: Erneut kam es nach dem CSD in Berlin zu Attacken und Übergriffen gegen queere Menschen. Das zeigt auch, dass unser Kampf noch lange nicht vorbei ist.